Was ist ECD? – Ein Gespräch über einen Ort mit einem veränderbarem Konzept
ECD steht für Espace Château DES. „Espace“ meint Raum – im konkreten wie im übertragenen Sinn: Raum zum Leben, Arbeiten, Nachdenken, Ausprobieren. „Château“ verweist auf das Ensemble aus Häusern, Werkstätten und Park, das diesen Ort bildet. Und „DES“ ist bewusst offen gehalten: des arts, des ateliers, des échanges, des séjours – ein Kürzel für das, was hier möglich ist, ohne es einzuengen. Angefangen hat alles Ende der 1980er-Jahre, aus einem einfachen Wunsch heraus: einen Ort zu finden, der Unabhängigkeit erlaubt, kreative Freiheit ermöglicht – und finanziell tragbar ist. Frankreich war damals ein anderes Land als heute. Die soziale Durchlässigkeit, die politische Offenheit unter Mitterrand, das Preisniveau auf dem Land – all das machte es möglich, eine Vision umzusetzen, die in anderen Ländern unerschwinglich gewesen wäre.
Wir suchten einen Ort, der nicht nur Rückzugsraum war, sondern auch gemeinsames Arbeiten erlaubte. Die Wahl fiel auf das Burgund, nicht zufällig. Die Nähe zu Cluny, die kulturelle Tiefe, der historische Boden – dieser Ort hatte einen stillen, tragenden Grund. Was wir fanden, war eine verlassene Anlage: ein Schloss, Nebengebäude, ein verfallener Park. Und mittendrin die Verrière – eine filigrane Eisen-Glas-Konstruktion aus der Zeit des Eiffelturms, halb eingestürzt, aber voller Ausstrahlung. Sie war der coup de foudre. Sie wurde das Herz des Ortes – räumlich und gedanklich. Alles andere hat sich darum herum aufgebaut: Wohneinheiten, Werkstätten, Freiräume.
Der Wiederaufbau war kein Projekt im klassischen Sinn. Kein Businessplan, kein Investor, kein Marketing. Wir haben fast alles selbst gemacht: als Bricoleure, mit zwei kleinen Kindern, Bauhütte, Mörtel, improvisierter Küche. Es ging Schritt für Schritt, Jahr für Jahr – und immer aus eigener Kraft. Was entstand, war ein Ort mit Haltung. Kein Ferienhaus, kein Retreatzentrum, keine Kulturinstitution. Sondern ein lebendiges Gelände, das Nutzung zulässt, ohne sie zu erzwingen. Über die Jahre wurden Ateliers eingerichtet: für Keramik, Holz, Malen und Metall. Es fanden Konzerte statt, Ausstellungen, Theateraufführungen. Wir organisierten Kurse, Festivals, einen Weihnachtsmarkt. Der Ort war kein Hintergrund, sondern gelebter Mittelpunkt. Wir waren über drei Jahrzehnte lang die Macher. Wir initiierten, strukturierten, luden ein, schufen Bedingungen. Doch jetzt, ab 2025, verändert sich diese Rolle. Es ist ein Jahr der Transition. Der Ort bleibt, und wir bleiben auch – aber nicht mehr als Initiatoren.
Ab 2026 sind es die Gäste, die kommen – mit ihren eigenen Projekten, Ideen, Fragen. Sie bringen das mit, was sie brauchen. Wir halten nur noch den Rahmen. Keine Programmge- staltung mehr, kein thematischer Fahrplan. Dafür eine klare Haltung: Wer da ist, gestaltet mit. Wer bleiben will, übernimmt Verantwortung für sich. Wer nichts tun will, ist ebenso willkommen. Der Park umfasst heute rund 40.000 m² – mit altem Baumbestand, neu gepflanzten Bäumen und Streucher, Wasserlauf, offenen Flächen, verwunschene Nischen. Die Gebäude sind einfach, funktional, zurückhaltend. Jede Wohneinheit hat eine eigene Küche. Gemeinschaft kann entstehen, muss aber nicht. Rückzug ist ebenso möglich wie Austausch. ECD ist ein Ort auf Zeit. Kein Lebensentwurf, keine Inszenierung. Aber ein konkreter Raum, in dem vieles wieder möglich wird: Stille. Konzentration. Arbeit mit den Händen. Offenes Denken. Die Erfahrung, dass nichts Spektakuläres passieren muss, damit etwas in Bewegung kommt. Wer hierher kommt, bringt etwas mit. Wer geht, nimmt etwas mit. Dazwischen liegt nichts, was man verkaufen könnte – aber vielleicht genau das, was fehlt und man sucht.